Der Museumstag

Titelbild Der Museumstag Oliver Izzy Asta
Izzy hat miese Laune! Heute ist Ausflugstag im Kinderheim, aber sie darf nicht mit. Außerdem benehmen sich ihre Freunde höchst seltsam. Liegt das an Izzys schlechter Stimmung oder steckt mehr dahinter?

Izzy, Oliver und Asta saßen beim Frühstück.
»Ich will aber mit zu den Dinos!«, murrte Izzy schon zum siebten Mal.
Weil ihr Betreuer Rico nicht mehr darauf reagierte, wanderte ihr Blick erst zu Asta, dann zu Oliver. Anstatt ihr beizupflichten, taten ihre Freunde, als gäbe es Wichtigeres. Asta stocherte mit dem Messer im fast leeren Marmeladenglas, bis es quietschte. Oliver rührte mit konzentrierter Miene sein Müsli um. Sorgfältig zog er mit dem Löffel einen Kreis nach dem anderen.
»Den Haferflocken wird gleich übel«, motzte Izzy, obwohl Oliver nichts für ihre miese Laune konnte. Asta genauso wenig.
Heute war Samstag. Nicht nur irgendeiner. Es war Museumstag. Zweimal im Jahr fuhr eine Gruppe aus dem Kinderheim mit dem Bus zu einem Museum und verbrachte dort einen ganzen Tag. Dieses Mal war eine Ausstellung über Urzeittiere dran. Izzy liebte Dinosaurier! Aber sie durfte nicht mit.
»Du warst auf dem letzten Ausflug, Izzy«, reagierte Rico jetzt doch noch auf die bissigen Blicke. »Heute sind diejenigen dran, die nicht beim Raumfahrt-Museum dabei waren. Du kannst dir dafür das neue Dino-Buch ansehen.«
»Das ist langweilig!« Izzy fegte ein paar Krümel vom Tisch. Das stimmte natürlich nicht. Seit Tagen lag sie Rico in den Ohren, wann es endlich geliefert würde. Und ausgerechnet heute lag es im Postfach. An jedem anderen Tag hätte sie es noch vor dem Frühstück verschlungen. Aber jetzt wollte sie kein olles Buch!
Rico sah Izzy streng an. Das kam selten vor. Gewöhnlich verstand sie sich mit ihrem Betreuer glänzend. Doch jetzt sah er sie an, als wäre sie ein Motztroll. Sie sprang auf, ignorierte, dass ihr Stuhl krachend zu Boden ging, und floh in ihr Zimmer.
Kurz darauf hörte Izzy dumpfe Schritte hinter der Tür und vergnügte Stimmen, die sich etwas zuriefen. Aber niemand klopfte. Sicher holten die Ausflugskinder ihre Rucksäcke. Sie vergrub ihren Kopf im zerknautschten Kopfkissen und wartete, bis es ruhig wurde. Dann drehte sie sich auf den Rücken und betrachtete die bananengelbe Decke. Die war frisch gestrichen. Den Farbton hatten sie und Asta aus bestimmt hundert Farbkärtchen ausgesucht. Aber je länger sie nun darauf starrte, desto mehr ging ihr die Farbe auf den Keks.
Eine gefühlte Ewigkeit später gab sie das Starren auf und griff nach Toppsy. Den Kuscheldiplodocus hatte ihre Mama beim letzten Besuchstag mitgebracht. Die kugelrunden Tieraugen musterten sie genauso tadelnd wie Ricos vorhin. Izzy fuhr mit den Fingern über den langen, flauschigen Hals. Toppsy hatte recht, sie hatte übertrieben! Jetzt schämte sie sich für ihren Wutausbruch beim Frühstück. Vielleicht war es das Beste, sie suchte ihre Freunde.
Meist gingen sie an den freien Tagen raus, aber draußen war es lausekalt, als wäre eine neue Eiszeit angebrochen. Also schlug Izzy den Weg zum Gemeinschaftsraum ein.
Sie hatte richtig getippt. Asta und Oliver saßen auf dem roten Monster von Sofa und beugten sich gemeinsam über eine Mappe. Um Zeit zu schinden, zupfte sie ihre Zöpfe zurecht, die danach nicht weniger schief hingen. Dann schlenderte sie auf die beiden zu.
»Hey, was macht ihr gerade?«, rief sie lässiger, als sie sich fühlte.
Asta zuckte zusammen und Oliver klappte eilig die Mappe auf seinem Schoß zu.
»Ähm, Izzy …«, begann ihre Freundin. Sie rieb sich über die blasse Nase.
Izzy blieb abrupt stehen. Ihre Freunde glotzten sie an, als wäre sie ein Quastenflosser. Wobei hatte sie die beiden nur gestört? Was es auch war, sie wollten es offenbar nicht mit ihr teilen. Asta schien immer noch nach Worten zu suchen. Sie fuhr sich durch die hellblonden, raspelkurzen Haare, wie sie das öfter tat, wenn ihr etwas unangenehm war. Auch Oliver kämmte sich mit den Fingern den Wuschelkopf. Was sollte das Getue? Kapierten die beiden denn nicht, wie blöd es war, dass Izzy ausgerechnet diesen Ausflug verpasste? Sie wussten doch, wie sehr sie sich für Dinos begeisterte.
»Dann eben nicht!«, schnaubte Izzy. Sie schnappte sich rasch das frisch ausgepackte Dino-Buch vom Couchtisch und rauschte aus dem Zimmer. Oliver rief ihr noch etwas hinterher. Aber das ging im Getrappel ihrer eigenen Schritte, die im Gang widerhallten unter.
*
Kurz darauf lümmelte Izzy wieder neben Toppsy. Die verstand immer, wie Izzy sich fühlte! Die eingerollte Bettdecke unter die Köpfe gestopft, blätterten sie das neue Buch durch. Den Tyrannosaurus Rex kannte Izzy. Den dreifach gehörnten Triceratops auch. Und natürlich den Stegosaurus mit seinen Knochenplatten. Aber der Brachiosaurus war neu. Er hatte einen langen Hals, wie Toppsy. Was war denn das? Gab es wirklich Entenschnabelsaurier?
Izzy hatte ganz die Zeit vergessen, als ihr Magen plötzlich knurrte. Sie drehte sich zum Wecker auf dem Nachttisch. Schon nach eins! Vor Schreck rutschte ihr das Buch aus den Händen und schlug dumpf auf den Teppich. Das Mittagessen! Sie schwang sich von der Matratze und schlüpfte eilig in ihre Hausschuhe. Dabei stieß sie gegen das Buch und schubste es unter das Bett. Egal, das konnte sie später rausfischen. Sie riss die Tür auf, düste über die Treppe zum Speiseraum und sprang keuchend auf ihren Platz.
Keiner sagte etwas. Nicht einmal Asta oder Oliver. Nur Rico hob eine Augenbraue.
»`Tschuldigung«, nuschelte Izzy. Hastig stopfte sie sich eine Gabel Makkaroni in den Mund.
Während des Essens vermied sie, ihre Freunde anzusehen. Aber sie hörte die beiden miteinander tuscheln. Einmal glaubte sie, das Wort Dino aufzuschnappen. Doch da musste sie sich verhört haben! Asta und Oliver interessierten sich nicht die Bohne dafür. Manchmal fiel sie ihnen mit ihrer Dinoliebe richtig auf den Wecker. Izzy schluckte. Vielleicht ging ja es genau darum! Ihr Magen zog sich zusammen, sodass die Nudeln immer langsamer hinunterrutschten. Trotz der leckeren Kokossauce.
Kaum hatten alle aufgegessen, wollte sich Izzy aus dem Staub machen. Wie ein Säbelzahntiger schlich sie auf ihren Gummisohlen zur Tür.
»Warte Izzy!«, rief Rico, bevor sie entkam. »Torben hat heute Morgen deinen Küchendienst übernommen, würdest du dafür die Wäsche mit mir aufhängen? Asta und Oliver kommen auch mit.«
Lust hatte Izzy nicht dazu, aber ihr war schon klar, dass es keine echte Frage war. Seufzend machte sie auf dem Absatz kehrt und schlurfte zurück zum Tisch.
»Klar«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
»Prima, kommt am besten gleich mit!«
Gemeinsam pilgerten sie in den Keller. Die Treppe war so schmal, dass Izzys Fingerspitzen die Backsteine zu beiden Seiten berührten. Unten angekommen, stieg ihnen eine Mischung aus moderiger Kälte und frischem Waschmittelduft in die Nasen.
Der Waschkeller lag direkt unter dem Gemeinschaftsraum. Was manchmal nervte, vor allem wenn sie was anguckten. Einmal hatte der Junge in einem Film den Klängen einer Busuki gelauscht. Leider würde Izzy vielleicht nie erfahren, wie eine Busuki klang. Denn in dem Moment hatte der Schleudergang eingesetzt und mit seinem Wummern alles andere übertönt. Zum Glück war ihr Schlafzimmer im ersten Stockwerk. Das teilte sie sich schon über zwei Jahre mit Asta. Seitdem waren sie beste Freundinnen. Waren sie das immer noch? Izzy beobachtete, wie Asta sich zu Oliver hinüberbeugte und ihm etwas zuflüsterte. Der grinste breit.
Rico zog derweil unermüdlich bunte Kittel aus der klotzigen Industriewaschmaschine. Die war längst museumsreif und wurde nur noch in Ausnahmefällen benutzt. Heute um Malkittel zu waschen. Für alles andere gab es den Wäschedienst.
»Hast du sie gesehen?«
Izzy zuckte zusammen. »Gesehen? Was?« Sie hatte keine Ahnung, was Rico von ihr wollte.
Der verdrehte die Augen. »Die Wäscheklammern, Izzy! Weißt du, wo sie sind?«
Izzy schüttelte den Kopf, dass ihre Zöpfe zur Seite flogen.
Die Klammern lagen sonst immer in Körben auf dem Regal. Aber heute klaffte an der Stelle eine breite Lücke. Rico fuhr mit der Hand über das Regalbrett. Doch das verriet ihm auch nicht, wo die Klammern steckten.
»Es ist so …«, druckste Oliver plötzlich herum.
Rico und Izzy drehten sich neugierig um. In dem Moment rempelte Asta ihren Freund grob an und trat ihm dabei auf den Fuß.
»Autsch!« Olivers qualvollen Blick quittierte Asta mit Schulterzucken, dabei kroch ihr zarte Röte die Wangen hinauf.
Was war denn das gewesen? Hätte Izzy auf Olivers Fuß so herumgetrampelt, hätte er sich bestimmt lautstark beschwert. Aber vielleicht war das ja kein Versehen gewesen. So tollpatschig war Asta sonst nicht. Überhaupt benahmen sich ihre Freunde heute wirklich seltsam. Sie steckten die Köpfe zusammen, tuschelten und traten sich sogar auf die Füße!
Izzy wollte gerade etwas sagen, da kam Asta ihr zuvor: »Hat Frau Beck nicht neue bestellt? Die Holzklammern sind doch uralt, bestimmt noch aus der Steinzeit.«
»Na höchstens aus dem Mittelalter.« Rico lachte. »Aber sie lassen wirklich oft die Wäsche fallen. Also gut, hängen wir die Teile einfach über die Leinen. Na los!«
So ein Quatsch, dachte Izzy. Wenn man Wäscheklammern kaufte, warf man die alten doch nicht weg, bevor die neuen da waren. Sie pfefferte einen blau-grün karierten Kittel über zwei Schnüre.
»Etwas ordentlicher, wenn ich bitten darf«, rügte Rico. Er zupfte an einem Ärmel, bis er knitterfrei hing. »Ich muss mal kurz in die Küche. Ihr schafft das alleine, oder?« Rico verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten.
Schweigend hängten sie weiter die bunten Kittel auf.
Izzy überlegte, ob er sie absichtlich mit den anderen allein gelassen hatte. Vielleicht hatte er bemerkt, dass sie beim Essen kein Wort miteinander gesprochen hatten. Sie holte tief Luft, um irgendetwas zu sagen.
»Fertig!«, rief Asta in dem Moment. »Kommst du Olli?«
Sie ließen Izzy einfach stehen. Gekränkt lauschte sie ihren Schritten, bis sie von einer Tür verschluckt wurden.
Was jetzt? Sie hatte keine Lust, sich wieder in ihrem Zimmer zu verkriechen. Deshalb schlug sie den Weg zum Gemeinschaftsraum ein.
Am großen Tisch wurde gemalt.
»Rück mal das Grün raus!« Torben streckte eine Hand aus, während er mit der anderen einen Kreis malte. Er sah kurz auf. »Oh, hallo Izzy.«
»Hey«, murmelte Izzy, unschlüssig, ob sie sich dazusetzen sollte. Malen war nicht gerade ihr Ding. Bei Torbens Rakete könnte sie glatt neidisch werden.
»Grün fehlt«, sagte Cemre, nachdem auch sie Izzy zugenickt hatte.
»Dann nehm ich Blau.« Torben schien sich nichts dabei zu denken.
Aber Izzy wurde hellhörig. Eben hatten Wäscheklammern gefehlt, jetzt ein Buntstift. Der konnte natürlich einfach zwischen die Regalbretter gerutscht sein.
»Fehlt noch etwas?«, fragte sie beiläufig.
Cemre wühlte mit den Fingern durch eine Kiste. »Tatsächlich, Braun ist auch weg! Und das Papier ist fast alle. Wollte Rico nicht neues holen?«
Izzy wusste sogar ganz genau, dass ihr Betreuer das Fach erst gestern aufgefüllt hatte. Sie hatte ihm dabei geholfen. Das behielt sie aber für sich. Stattdessen zuckte sie mit den Schultern und trollte sich. Irgendwas Seltsames ging hier vor sich! Erst benahmen sich ihre Freunde eigenartig und dann verschwanden auch noch Sachen. Einen Moment überlegte Izzy, ob Oliver und Asta damit zu tun haben könnten, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Was sollten sie mit einem Haufen Wäscheklammern anfangen! Da kam ihr eine viel bessere Idee: Sie könnte die beiden fragen, ob sie zusammen in dieser Sache ermitteln wollten. Wie ein richtiges Detektiv-Trio. Das hatten sie schon einmal getan. Damals ging es um Olivers verschwundene Socken. Einen ganzen Tag lang waren sie Hinweisen gefolgt. Am Ende hatte sich herausgestellt, dass Rico die Socken weggeworfen hatte. Zu viele Löcher! Sie lachte heute noch, wenn sie an Olivers Gesichtsausdruck dachte. Ja, das war ein toller Plan!
Fieberhaft überlegte Izzy, wo die beiden stecken konnten. Sie versuchte es als Erstes in ihrem eigenen Zimmer. Immerhin wohnte auch Asta dort. Aber es war leer, wenn man von Toppsy absah. Die lag auf dem Bett, die Beine ausgestreckt, als würde sie ein Nickerchen halten. Izzy warf ihrer Kuscheldinodame einen liebevollen Blick zu und schloss die Tür wieder.
Anschließend stürmte sie zu Olivers Zimmer und presste das Ohr ans Holz. Volltreffer! Hinter der Tür waren Stimmen. Sie schnappte Worte wie Reißzähne und Panzerplatten auf. Merkwürdiges Thema für ihre Freunde. Olivers Zimmergenosse konnte es aber nicht sein. Der war mit auf dem Ausflug. Also klopfte Izzy an und drückte die Klinke hinunter. Es war abgeschlossen! Die Stimmen hinter der Tür verstummten. Izzys Magen zog sich schon wieder zusammen. Am liebsten wäre sie davongelaufen. Nein, dieses Mal würde sie nicht aufgeben. Sie hämmerte gegen die Tür und rief: »Macht auf.« Stille. »Ich weiß, dass ihr da drin seid!« Immer noch Stille. »Wollt ihr einen Kriminalfall lösen?«
Endlich quietschte es im Schloss. Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit und Olivers blonder Wuschelkopf tauchte auf.
»Nett, dass du vorbeikommst, aber gerade ist es etwas …«, Oliver stockte, »… ungünstig.«
»Komm, lass sie rein, Olli!«, rief Asta im Hintergrund.
Oliver nickte erleichtert und zog die Tür über den flauschigen Teppich.
Izzys Mund klappte auf. In welcher Räuberhöhle war sie denn hier gelandet? In Olivers Händen steckten die vermissten Buntstifte. Grün und Braun, dazu noch Gelb und Rot. Asta saß auf dem Bett und balancierte einen Korb auf ihren Knien.
»Da sind ja die Klammern!«, rief Izzy entrüstet.
Dann fiel ihr Blick auf den Boden, der mit Bildern zugepflastert war. Komische Kreaturen glotzten zu ihr hoch.
»Was treibt ihr hier?«, schnaubte Izzy und ließ sich neben Asta aufs Federbett plumpsen.
»Hast du was von Kriminalfall gesagt?« Oliver hob eine Augenbraue, wie Rico das immer tat.
»Das … also das …«, stammelte Izzy, »das hat sich gerade erledigt.« Sie schnappte sich ein paar Wäscheklammern aus dem Korb. »Was wollt ihr mit denen? Und den Stiften?« Izzy sah Asta und Oliver abwechselnd an. »Ihr habt den ganzen Tag getuschelt und seid nach dem Wäscheaufhängen einfach abgehauen. Ich dachte schon, wir sind keine Freunde mehr«, schob sie leise hinterher.
Asta sah betreten drein. »Beim Frühstück haben wir uns nicht getraut, etwas zu sagen. Du warst so in Fahrt und Rico sah ziemlich gereizt aus. Da wollten wir es nicht noch schlimmer machen. Aber es hat uns wirklich leidgetan, dass du nicht mit zum Museum durftest. Wir wissen doch, dass du lieber mit Dinos zusammenleben würdest, als mit uns.« Bei ihren letzten Worten knuffte sie Izzy frech gegen die Schulter.
Izzy war noch nicht ganz überzeugt. »Warum wart ihr dann auch nach dem Frühstück so seltsam drauf?« Sie drehte sich zu Oliver. »Ich hab genau gesehen, wie du die Mappe zugeschlagen hast, als ich mit euch sprechen wollte. Und Asta ist dir absichtlich auf den Fuß getreten, oder?«
»Du hast recht!«, übernahm Oliver. »Wir haben nach dem Frühstück überlegt, was wir tun können, damit du dich nicht mehr über den verpassten Ausflug ärgerst. Du bist ausgerechnet dann im Gemeinschaftsraum aufgetaucht, als wir gerade eine Idee hatten.«
Izzy, die gerade ein paar Wäscheklammern an die Bettdecke klemmte, sah verdutzt auf. »Was war das denn für eine Idee?«
»Wir dachten, wenn du nicht zum Museum darfst, bringen wir das Museum zu dir.«
Izzys Augen wurden rund.
»Wir wollten dich mit einer eigenen Dinosaurier-Ausstellung überraschen«, fuhr Oliver jetzt fort, »aber wir haben ein Problem«, er sah sie zerknirscht an, »wir kennen uns nicht mit Dinos aus und du hast das Buch versteckt!«
Jetzt kapierte Izzy, was los war. Sie hob ein Blatt vom Boden und grinste breit. Oliver hatte versucht, Dinos zu zeichnen. Er konnte echt toll malen, hatte aber offensichtlich keinen blassen Schimmer von Dinosauriern!
»Magst du uns helfen?« Astas hellgrüne Augen blitzten sie an. »Ohne dich schaffen wir das nicht. Du bist schließlich die Dino-Expertin!«
Klar wollte Izzy! Sie fühlte sich plötzlich so leicht wie ein Flugsaurier. Sie hasste es, mit Asta und Oliver zu streiten.
Kurz darauf kniete sie neben Oliver auf dem Boden und erklärte, wie die Urzeittiere aussehen mussten. Welche Pflanzenfresser lange Hälse hatten, welcher Raubsaurier Krallen trug und so weiter.
Als sie endlich fertig waren, glomm bereits die Straßenbeleuchtung hinter den Fenstern. Gemeinsam schlichen sie auf den Gang. Sie wollten die Zimmertüren als Ausstellungsfläche nutzen. Izzys Aufgabe war, den anderen Zeit zu verschaffen, damit sie die Bilder in Ruhe zusammenkleben konnten. Die größeren Dinos hatte Oliver nämlich über mehrere Blätter gemalt.
Izzy postierte sich im Treppenhaus und erzählte jedem, der vorbei wollte, dass sie eine Kanne Saft verschüttet hatte. Keiner dürfte hinauf, bevor die klebrige Sauerei aufgewischt war. Als Torben ihr Hilfe anbot, winkte Izzy dankend ab und verkniff sich ein schlechtes Gewissen. Trotzdem war sie erleichtert, als Asta und Oliver endlich die Treppe herunter kamen.
Aufgeregt sausten sie über den Gang zum Gemeinschaftsraum, wo sich ein paar der Kinder vor dem Abendessen aufwärmten. Die hatten sich tatsächlich bei dieser Mammutkälte rausgewagt.
Rico zwinkerte Izzy zu. Er sagte zwar nichts, doch sie war sich ziemlich sicher, dass er ihren Streit mitbekommen hatte. Jetzt schien er sich zu freuen, dass sie wieder miteinander auskamen.
»Hört mal!«, rief Izzy in die Runde, »wir – also Oliver, Asta und ich – haben eine Ausstellung vorbereitet.« Ein paar Köpfe drehten sich neugierig zu ihr um. »Die ist im ersten Stock. Na los, aufstehen und mitkommen!«
Na bitte, alle standen auf und folgten ihnen die Treppe hinauf. Auch Rico.
Oben angekommen führte Izzy die Gruppe durch den Gang, wie eine echte Museumsführerin. Das Deckenlicht hatte sie ausgeschaltet und ließ stattdessen den Lichtstrahl ihrer Taschenlampe über die Bilder wandern. Sie war jetzt ganz in ihrem Element. Keiner schien zu bemerken, wie sich ihre Freunde heimlich davonstahlen.
Izzy erzählte, dass der Brachiosaurus in Nordamerika gefunden worden war und seinerzeit Steine schluckte, um im Magen Grünfutter zu zerkleinern. Sie brachte ihre Museumsbesucher zum Staunen, weil der Argentinosaurus – Fundort Südamerika – größer wurde als ein Hochhaus. Nach einem Wettlauf im Gang klärte sie auf, dass der gefährliche und allseits gefürchtete Tyrannosaurus Rex nur so schnell rannte wie ein Mensch! Er war also ziemlich lahm gewesen, verglichen mit einem Gepard, der es locker mit einem Auto aufnahm.
Als sie erklärte, dass Meeressaurier und Flugsaurier eigentlich keine Dinosaurier waren, knarrte es und hinter Olivers Quetzalcoatlus tauchte ein Mädchen im Türrahmen auf. »Flieg mal zur Seite«, scherzte Izzy. Und tatsächlich gab das Mädchen eine Flugshow zum Besten, bevor sie sich der lachenden Gruppe anschloss.
An Tür sieben stutzte Izzy. Asta und Oliver hatten in der Eile das Papier falsch zusammengeklebt. Jetzt thronte der monströse Kopf des Tyrannosaurus Rex auf den Beinen des chinesischen Microraptors. Der gefiederte Dinosaurier war Forschern zufolge ein echter Winzling, kleiner als ein Pinguin!
»Nun ja, das hier ist dann wohl ein Microraptor Rex«, verkündete Izzy recht überzeugend. Musste dann aber lachen. Asta und Oliver waren absolut keine Dino-Experten. Dafür waren sie ihre allerbesten Freunde! Und irgendwie auch eine zweite Familie.
Viel zu schnell waren sie an der letzten Tür angekommen. Izzy drückte Rico das eine Ende eines Fadens und dem Quetzalcoatlus-Mädchen das andere Ende in die Hand.
»Flieg mal, so weit du kannst!«, bat sie.
Schon flatterte das Mädchen los. Erst als sie bei Olivers Brachiosaurus ankam, spannte sich der Faden zwischen ihr und Rico.
»Jetzt könnt ihr euch vorstellen, wie lang der Kronosaurus war!« Izzy tippte auf das letzte Bild mit dem australischen Meeressaurier.
Da stolperte Rico neben ihr. Aber nicht über den Faden. Er klaubte etwas vom Boden und hielt es unter Izzys Taschenlampe.
»Was macht die denn hier?« Der Lichtkegel erleuchtete eine Holzwäscheklammer.
»Wahnsinn«, rief Izzy den anderen zu, »Rico hat einen Dinosaurierknochen gefunden!« Wieder lachten alle, auch Rico.
»Ich meine das völlig ernst! Wir haben heute eine unglaubliche Entdeckung gemacht!«, sprach Izzy weiter. »Vor zig Millionen Jahren lebten auch hier Dinosaurier. Nicht nur irgendwo in Europa, sondern genau hier, unter unserem Heim.« Sie suchte nach Oliver in der Menge. Der lehnte keuchend an einem Türrahmen und streckte einen Daumen empor. Mit der anderen Hand hielt er sich die stechende Seite.
»Bitte folgt mir!«, rief Izzy zufrieden. »Fasst aber nichts an!«
Sie führte eine Schar tuschelnder Kinder und einen völlig verdutzten Rico über die enge Treppe in den Keller. Dicht gedrängt im Schein der Notbeleuchtung, sahen ihre Schatten aus, als krieche ein Urzeitkrokodil durch den Gang.
Vor dem Waschkeller übernahm Asta die Taschenlampe.
Es klickte und im Lichtkegel tauchte ein Dinosaurier-Skelett auf. Jemand stieß einen spitzen Schrei aus und Izzy taumelte rückwärts, direkt auf einen Fuß. Torben fluchte leise. Astas Idee war genial! Das Skelett sah täuschend echt aus und einen Hauch gruselig. Izzy lief eine Gänsehaut über den Rücken. Sie tastete die Wand ab und erweckte die uralte Neonröhre zum Leben. Sie blinzelten. Unter der flackernden Lampe thronte ein gigantischer Dinosaurier aus angestaubten Holzklammern. Dahinter zwei weitere. Damit sie nicht umfielen, hatte Asta ein paar Stellen mit Fäden verknotet. Wie Spinnweben zogen sie sich durch den Raum. Sie führten zur Waschmaschine, zum Regal, zu einer Leiter und den Wäscheleinen.
Asta warf Rico einen schuldbewussten Blick zu. Immerhin hatte sie sich die Klammern heimlich geborgt und den Keller ins Chaos gestürzt. Aber ihr Betreuer lachte.
»Vielen Dank ihr Drei, ich finde eure Ausstellung fabelhaft!« Er klatschte in die Hände und andere Kinder fielen mit ein. Cemre und Torben stampften so kräftig mit den Hausschuhen, dass die klammerigen Urzeittiere zitterten wie bei einem Erdbeben.
*
Kurz darauf saßen alle beim Abendbrot. Die Ausflügler waren zurück und berichteten, was sie erlebt hatten.
»Der nachgebaute T-Rex war über drei Meter groß«, schwärmte einer von ihnen.
Die anderen lauschten begierig. Da bemerkte Izzy, dass sie kein bisschen neidisch war! Ihre eigene Ausstellung war garantiert aufregender gewesen.
»Gab es in diesem Museum auch die hochseltene Spezies der Wäschedinos?«, fragte sie mit Unschuldsmiene.
Sie erntete Stirnrunzeln.
»Na ich meine, ob es einen Seiflodopus gab oder einen Wäschequatlos oder gar einen Klammersaurus Rex
Cemre kicherte.
Dann erzählten sie den Ausflüglern von ihrer Dino-Ausstellung. Die waren beeindruckt und versprachen, den Fundort gleich nach dem Abendessen anzusehen.
*
Als Izzy an diesem Abend unter die Decke schlüpfte, fiel ihr plötzlich das Dino-Buch wieder ein. Das lag ja immer noch unter dem Bett. Gleich morgen würde sie es zurückbringen.
»Gute Nacht, Asta«, flüsterte sie.
»`Nacht Izzy, mach mal dunkel!«, nuschelte es müde zurück.
Izzys Blick glitt ein letztes Mal über Olivers Entenschnabelsaurier. Den hatte sie an den Schrank gepinnt. Dann knipste sie die Nachttischlampe aus und schlief Rücken an Rücken mit Toppsy, ihrer Diplodocusdame, ein.